Der Architekt Filippo Brunelleschi (1377-1446) ist vor allem für ein Bauwerk weltberühmt: Die Kuppel des Florentiner Doms (Ausführung von 1420 bis 1436; s. Titelbild). Doch der Renaissance-Baumeister hat noch mehr in seiner Heimatstadt hinterlassen, darunter das Findelhaus Ospedale degli Innocenti (1421-55), die Kirche San Lorenzo (1418-1428), die Pazzi-Kapelle (ab 1429) und die Kirche Santo Spirito (ab 1444).

Ein eher unbekanntes Bauwerk, welches sich nahe unseres Institutes und direkt neben unserem Lieblingskaffee befindet, ist die Kapelle Rotonda degli Angeli, auch Rotonda del Brunelleschi oder Rotonda degli Scolari genannt, welche zum Spätwerk Brunelleschis zählt.

Rotonda und Universitätsgebäude

Das Vorhaben geht zurück auf Filippo Buondelmonti degli Scolari, genannt Pippo Spano, einem Händler und Condottiere, der 1426 starb. Er hinterließ testamentarisch 5000 Florin (fiorini) der florentinischen Zunft der Textilhändler („Arte dei Mercatanti“ bzw. „di Calimala)“, um dem Kamaldulenser-Konvent Santa Maria degli Angeli in der Via degli Angioli (seit 1865 Via Alfani) den Bau einer Kapelle zu ermöglichen.

Der Klosterbau des eremitischen Ordens begann 1345 und wurde rasch um weitere Gebäude erweitert. Der Komplex entwickelte sich innerhalb eines Jahrhunderts zum künstlerischen und kulturellen Zentrum des humanistischen Florenz, welches neben Künstlern und Intellektuellen auch die Mitglieder der berühmtesten Familien der Stadt wie die Medici und Strozzi frequentierten. Das Kloster wurde im späten 16. Jahrhundert erweitert, im 17. erneuert und ein Glockenturm hinzugefügt. Zwischen 1654 und 1670 befand sich im Kloster eine der ersten meteorologischen Stationen der Welt. 1808 aufgehoben wurde es 1940 an die Universität von Florenz verkauft, die in den 1960ern hier die Facoltà di Lettere einrichtete.

Die Zunft beauftragte daraufhin den berühmten Filippo Brunelleschi, der einen achteckigen Zentralbau mit ebensovielen inneren Kapellen sowie 16 äußeren Wandfeldern konzipierte. Die einzelnen Kapellen und Wandfelder sollten durch Pilaster aus Pietra Serena separiert werden. Während in jeder inneren Kapelle zwei Nischen vorgesehen waren, sollte außen nur jedes zweite Feld vermutlich Statuen aufnehmen.

Grundriss der Rotonda (rechts) im Vergleich zum römischen Pantheon

1434 begonnen wurde der Bau schon nach drei Jahren in einer Höhe von circa sieben Metern eingestellt, da die Stadt das Geld zur Deckung der Kosten des Krieges gegen Lucca eingezogen hatte. Das unfertige Bauwerk, von den Einheimischen als Castellacio (Burg) bezeichnet, integrierte man in die Begrenzungsmauer des Klostergartens und versah es später mit einem Dach.

Ausschnitt aus dem Codice Rustici, entstanden um 1430/50 mit dem Kloster und einem Kapellenentwurf

Im 19. Jahrhundert diente die Kapelle dem Bildhauer Enrico Pazzi (1818-1899) als Arbeitszimmer, der unter anderem die Dante-Skulptur auf der florentinischen Piazza Santa Croce schuf (1857-1865). 1937 restaurierte der Architekt Rodolfo Sabatini das Bauwerk nach Entwürfen Brunelleschis, setzte aber eine modernere Variante um.

Die Rotonda degli Angeli ist der einzige Zentralbau Brunelleschis, vermutlich der erste der Renaissance überhaupt, und inspirierte und faszinierte zahlreiche Architekten der nachfolgenden Zeit, wie Giuliano da Sangallo, Leonardo da Vinci und Bramante. Brunelleschi selber könnte seine Anregung von antiken römischen Bauten wie dem „Tempel der Minerva Medica“ (einem Nymphäum aus der Wende zum 4. Jahrhundert) oder dem schon erwähnten Pantheon erhalten haben.