Orsanmichele oder auch Or San Michele ist ein bemerkenswertes Bauwerk. Zwischen 1336 und 1350 als Getreidespeicher errichtet, diente es später als Oratorium und Zunftsitz. Doch beginnen wir mit dem ältesten, dem Namen: Dieser leitet sich von einem Vorgängerbauwerk ab, einem Frauenkloster, welches einen großen Garten beinhaltete (lateinisch: hortus). In diesem wiederum stand eine kleine Kirche, die dem Erzengel Michael geweiht und daher San Michele in Orto genannt wurde. Um 1240 riss man das Bauwerk ab und errichtete eine Loggia für den Getreidehandel; für den Bau zeichnete wahrscheinlich der berühmte Baumeister Arnolfo di Cambio verantwortlich, der unter anderem den Entwurf für den Florentiner Dom schuf.

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Vom Kaufhaus Rinascente aus gesehen

Nachdem die Loggia am 10. Juli 1304 bei einem Brand stark beschädigt wurde, errichtete man zwischen 1336 und 1350 ein neues Gebäude, dessen Arkaden im Erdgeschoss wie eine Loggia für den Marktbetrieb geöffnet waren. Wohl noch vor 1380 schloss man diese mit gotischen Fenstern und wandelte die ebenerdige Etage in ein Oratorium um. Die beiden oberen Geschosse dienten weiterhin bis in das 16. Jahrhundert hinein als Getreidespeicher.

Zudem erhielt Orsanmichele im 14. Jahrhundert eine weitere Funktion als Zentrum der Florentiner Zünfte. Die bedeutendsten erhielten die Auflage, für den jeweiligen Schutzheiligen eine Statue in einer der Nischen aufzustellen. Die Zünfte ließen sich nicht lumpen (sie standen im Konkurrenzkampf untereinander) und verpflichteten bedeutende Künstler für diese Arbeiten, so dass sich dort Bildwerke von  Andrea del Verrocchio, Donatello, Lorenzo Ghiberti, Nanni di Banco usw. befinden. Über diesen sind keramische, farbig glasierte Zunftwappen angebracht, die von den Florentinern Andrea und Luca della Robbia oder der Manufaktur Ginori stammen.

Das bedeutendste Werk im Inneren ist ein Marmortabernakel des Florentiners Orcagna, ausgeführt von 1355 bis 1359.