Viele Besucher der schönen Stadt Florenz, die ein Rundgang natürlich auch zum Dom führt, sind beeindruckt von dem Bauwerk. Sie stehen lange vor der Westfassade, wo sich der Eingang befindet, und betrachten die Details. Aber wusstet Ihr, dass es sich bei der Fassade sozusagen um einen Neubau handelt?

Warum überhaupt eine reichverzierte Westfassade?

Viele Kirchen des Abendlandes sind ungefähr geostet, d.h. in Richtung der aufgehenden Sonne orientiert.1 Der Besucher betritt den Bau von Westen und findet erst am Ende das Heiligste vor, den Chor mitsamt dem Altar. Die Westfassade ist daher zumeist „einladend“, d.h. repräsentativ gestaltet.

Auch die Pläne des Baumeisters Arnolfo di Cambio für den Florentiner Dom sahen eine gotische Fassade vor. Giotto di Bondone, ab 1334 leitender Dombaumeister und Architekt des Campanile, soll die begonne Fassade wieder abgerissen und nach seinen Plänen eine neue Version initiiert haben.2 Bis zur Einstellung der Arbeiten auf etwa einer Höhe von einem Drittel entstand eine farbige, durchbrochene, aufwärtsstrebende dekorative Fassade, deren Skulpturen teilweise von Bildhauern wie Nanni di Banco, Bernardo Ciuffagni und Donatello geschaffen wurden.3 Einige Gemälde und Zeichnungen geben das Fragment wieder.

Pläne für eine neue Fassade

1587-88 wurde diese jedoch durch den Architekten Bernardo Buontalenti wieder entfernt, da Francesco I. de‘ Medici eine moderne, einheitliche Fassade zu errichten gedachte. Hierfür wurde ein Wettbewerb ausgerufen, an dem unter anderem Bernardo Buontalenti, Ludovico Cigoli, Giovanni Antonio Dosio und Giambologna teilnahmen; von den eingereichten Entwürfen sind im Museo dell’Opera del Duomo Holzmodelle und Zeichnungen erhalten. Da aber Francesco I. de‘ Medici überraschend am 19. Oktober 1587 verstarb, wurde das Projekt nicht realisiert.

Im siebzehnten Jahrhundert griff Ferdinando II. de‘ Medici das Projekt wieder auf, wählte aber statt eines neuen Wettbewerbes direkt das 1587 von Giovanni Antonio Dosio erstellte Modell. Diese willkürliche Entscheidung löste Proteste aus, die dazu führten, dass 1635 Künstler der Zeichenakademie ein neues Modell erstellten. Gherardo Silvani wurde nun mit der Ausführung beauftragt, die Arbeiten aber schon kurz darauf wieder wegen Streitereien eingestellt.

Bis spät in das 19. Jahrhundert hinein sahen Besucher die Westfassade des Domes nun lediglich mit einer backsteinernen Westfassade (vergleichbar beispielsweise der nicht weit entfernten Kirche San Lorenzo); gelegentlich war zumindest temporär aus verschiedenen Anlässen Dekor aus Holz, Leinwand oder Putz, mit Fresken versehen, angebracht.

Ansichten findet Ihr hier:

Wann die heutige Fassade entstand, könnt Ihr dem folgenden zweiten Teil entnehmen.


  1. Vgl. Wilfried Koch, Baustilkunde, Bassermann Verlag, 1998, S 472 („Orientierung“) ↩︎
  2. Vgl. Franz Kugler, Geschichte der gothischen Baukunst, Stuttgart 1859, S. 549 ↩︎
  3. Opera Magazin, How many „faces“ has the Cathedral of Florence had? 18.10.2021 ↩︎