Direkt am Arno, gegenüber der Innenstadt und von den meisten Touristen, die auf schnellstem Wege zur Piazzale Michelangelo hochgehen, „links liegen gelassen“, befindet sich ein unscheinbares, zweistöckiges Gebäude. In diesem wohnte und arbeitete lange Jahre Rodolfo Siviero. Kennt Ihr nicht? Na, dann will ich Euch mal etwas über den toskanischen Geheimagenten, Kunsthistoriker und „Kunstschützer“ berichten (die Bilder stammen aus seinem Wohnhaus, heute Museum; dazu später mehr).

Kindheit und Ausbildung

Siviero wurde am 24. Dezember 1911 in Guardistallo südlich von Pisa geboren. 1924 zog die Familie nach Florenz, wo Siviero später an der Universität studierte, um nach eigener Aussage angeregt durch das Umfeld in der Renaissancestadt Kunstkritiker zu werden. Ab 1934 begann er beim Servizio Informazioni Militare zu arbeiten, dem faschistischen italienischen Nachrichtendienst, angeblich mit dem Ziel, Informationen über die deutsche Einnahme von Österreich zu sammeln.

Hier nahm er, und das wird heute gerne in Italien verschwiegen, faschistisches Gedankengut an und zeigte sich überzeugt, dass nur ein totalitäres System das Land revolutionieren könne. 1937 konnte er mit Hilfe eines kunsthistorischen Stipendiums nach Berlin gehen, wo er angeblich insgeheim Informationen über das Nazi-Regime gesammelt habe.

Kunstschutz

Während des Zweiten Weltkrieges soll Siviero seine faschistoide Einstellung revidiert haben. Zum Umdenken habe ihn neben anderen im Tagebuch überlieferten Gründen wohl vor allem das Vorgehen des deutschen „Kunstschutzes“ bewogen. Dieser begann ab 1943 unter dem Deckmantel des Schutzes vor der Zerstörung durch Kriegsaktivitäten, Kunstwerke aus Italien Richtung Deutschland zu transferieren. Siviero agierte nun auf der Seite der Antifaschisten für den italienischen Kunstschutz und koordinierte von seinem Wohn- und Arbeitsort am Lungarno Serristori aus Sicherungs- und Partisanenaktivitäten, teilweise in Absprache mit angloamerikanischen Geheimdiensten.

Von April bis Juni 1944 wurde Siviero wegen dieser Aktivitäten in der Villa Triste in Florenz inhaftiert, aber auf Intervention einiger Offizieller, die heimlich mit dem angloamerikanischen Regime kooperierten, freigelassen.

Kunstdiplomat

Nach dem Krieg beauftragte die italienische Regierung Siviero mit der Wiederbeschaffung der während der Kriegszeit entwendeten Kunstwerke. Ab den 1950er Jahren weitete sich seine Aufgabe generell auf illegal aus dem Land transferierte Kunstobjekte aus. Mittlerweile verfolgte er diese Tätigkeit mit diplomatischem Geschick von seinem Büro im Palazzo Venezia in Rom aus. Einen seiner größten Triumphe bildete 1953 das politische Abkommen mit Deutschland, das sich verpflichtete, sämtliche von italienischem Boden während des Krieges entwendete Kunstwerke zurückzugeben.

Siviero widmete sich dieser Suche bis an sein Lebensende, wobei ihm das nachlassende Interesse des Staates an dieser Aufgabe zusetzte. Zudem löste laut seinem Tagebuch in ihm Bitterkeit aus, dass er keinen Rückhalt für die Einrichtung eines Museums der restituierten Kunstwerke erhielt, welches auch die Erinnerung an seine Aktivitäten bewahrt hätte (der Gedanke war also nicht uneigennützig). Daher wandte er sich in seinen letzten Jahren, die er wieder in Florenz verbrachte, stärker kulturellen Aufgaben zu und reorganisierte beispielsweise die Accademia di Belle Arti in seiner Funktion als deren Präsident. In seinem Testament vermachte der am 26. Oktober 1983 Verstorbene sein Haus (siehe Block unten) der Regionalverwaltung der Toskana mit der Auflage, dieses in ein Museum umzuwandeln.

007 der Kunst

Sein charmantes und gebildetes Auftreten sowie sein beruflicher als auch privater Erfolg bei Frauen brachten ihm übrigens den Spitznamen „007 der Kunst“ ein. 2017 kam ein Dokumentarfilm über Siviero in die italienischen Kinos. Reichlich pathetisch und negative Seiten größtenteils ausklammernd präsentiert der Film des florentinischen Regisseurs Massimo Becattini das Wirken Sivieros. Generell erscheinen die heute bekannten Informationen über Siviero stark positiv gefärbt, so dass die wahre Rolle des opportunistisch und seinen eigenen Interessen folgenden Sivieros nicht so ganz klar ist…

Lungarno Serristori mit dem Stadttor San Niccolò, darüber der Piazzale Michelangelo (Google Maps)

Die kleine Villa, in der Siviero lange Zeit lebte und arbeitete, wurde um 1875 errichtet (auf dem Bild ist es das gelbliche, erste Haus am Arno rechts vom Stadttor San Niccolò). 1919 kaufte sie Matilde Forti, die Witwe des Historikers und Kunstkritikers Giorgio Castelfranco. Dieser wiederum war ein enger Freund Sivieros sowie der Förderer des bekannten Malers Giorgio de Chirico gewesen. Nach dem Tode Castelfrancos wohnte der Künstler von 1920 bis 1924 in der Villa. 1944 kaufte Siviero das Gebäude und richtete hier seinen Arbeitsplatz ein.