Von der verkehrsreichen piazzale Donatello umgeben befindet sich am östlichen Rand der Innenstadt der „Friedhof der Engländer“. Wieso dieser so genannt wird (eigentlicher Name: „Friedhof der Protestanten“) und warum er an dieser – heute denkbar ungünstig erscheinenden – Stelle liegt, möchte ich Euch im Folgenden erzählen…

Lange Zeit mussten Protestanten, Juden und orthodoxe Christen, wenn sie in Florenz starben, in Ermangelung eines entsprechenden Platzes in Livorno beigesetzt werden (Nichtkatholiken durften nicht auf den hiesigen Friedhöfen beerdigt werden). Um dieses Problem der bei vielen Ausländern beliebten Stadt zu beheben, erwarben 1827 die Schweizer Landeskirchen ein Stück Land außerhalb der Stadtmauer Florenz‘, unmittelbar am ehemaligen Stadttor Porta a Pinti gelegen. Mit der Gestaltung des neuen Friedhofes beauftragte man den italienischen Architekten Carlo Reishammer.

1865 begannen massive Umgestaltungsmaßnahmen in Florenz, in deren Folge die mittelalterliche Stadtmauer größtenteils niedergelegt und stattdessen breite Umgehungsstraßen angelegt wurden. Der verantwortliche Architekt Giuseppe Poggi verfiel im Fall des im Wege liegenden Friedhofs auf eine ganz besondere Lösung: Oval führte er den Verkehr um diese Totenstadt herum (heute viale Giacomo Matteotti)!

Straßensituation
Friedhof, umgeben vom Verkehr (Blick von Nordwesten)

Der Friedhof

Vom Eingang im Süden steigt das Friedhofsgelände langsam bergan. Von einem T-förmigen Hauptwegesystem abgehend liegen zahlreiche Gräber, idyllisch gesäumt von Zypressen. An der Schnittstelle des „T“ befindet sich eine Säule mit einem Steinkreuz, welche Friedrich Wilhelm IV. von Preußen im Jahre 1858 hier aufstellen ließ.

Lediglich bis 1877 diente der Friedhof seinem ursprünglichen Zweck.

Ein Großteil der hier beerdigten Personen stammte übrigens aus England, weil im 19. Jahrhundert in Florenz diese Personengruppe den größten Ausländeranteil stellte (daher rührt auch die heutige Bezeichnung). Unter den hier liegenden befinden sich viele Schriftsteller und bildende Künstler, beispielsweise die Dichterin Elizabeth Barrett Browning, der italienische Schriftsteller Giovan Pietro Vieusseux, der Bildhauer Hiram Powers, aber auch die letzten Nachfahren Shakespeares, Beatrice und Edward Claude.

Ein trauriges Relikt seiner Zeit stellt das Grab der Afrikanerin Nadezdha De Santis dar, die mit 14 Jahren nach Europa entführt wurde. Als Sklavin gelangte sie im Zuge der Exkursion des Sprachwissenschaftlers Jean-François Champollion und des Ägyptologen Ippolito Rosellini 1828-1829 nach Florenz, wo sie später auch verstarb.

Information am Rande: Angeblich soll der Friedhof übrigens Arnold Böcklin zu seinem Bild „Die Toteninsel“ inspiriert haben, worauf wiederum Sergei Rachmaninoffs „Die Insel der Toten“ (op. 29) basierte.

Heute stellt der Friedhof eine Insel im Alltag dar, wenngleich natürlich durch den Stadtlärm kein ruhige. 😉 Man könnte sagen, dass das dem Geiste der Antike entspricht, demgemäß die Toten in den Alltag ihrer Nachfahren integriert werden sollten…

Seit einigen Jahren finden übrigens wieder Beerdigungen dort statt.